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Die Dr.-Engel-Realschule in Eislingen engagiert sich gegen Cybermobbing

Fast jedes dritte Kind war oder ist schon von Mobbing betroffen. Die Folgen der andauernden Hänseleien sind oft verheerend und reichen bis zum Selbstmord.

Die Zahlen aus einer Umfrage unter 345 Schülern der Dr.-Engel-Realschule lassen aufhorchen. Acht Prozent gaben zu, selbst schon Mitschüler gemobbt zu haben. 28 Prozent gaben an, an Mobbing beteiligt gewesen zu sein. Und 33 Prozent der Umfrageteilnehmer erklärten, dass derzeit jemand aus der Klasse gemobbt werde.

Die Zahlen sind alarmierend

Diese Zahlen zeigen eines ganz deutlich: Mobbing, also das dauerhafte Hänseln und Ausschließen eines Kindes von den Klassenkameraden, ist keine Randerscheinung unter Kindern und Jugendlichen.

„Es vergeht keine Woche, in der nicht irgendeine Meldung bei mir eingeht“, berichtet der Schulleiter Andreas Schlaiss. Vor allem seien es Beleidigungen, die über das Mobiltelefon in sozialen Netzwerken oder Messengerdiensten verbreitet würden, weiß er. Oft handele es sich dabei aber um keine Beleidigungen, die über einen längeren Zeitraum erfolgten.

Die Kinder finden es witzig

Die Beispiele der harmloseren Beleidigungen reichen von „Wenn ich dich sehe, kriege ich Augenkrebs“ über „Deine Kleidung kommt aus dem Mittelalter“ bis hin zu „Eselarsch“. Dass sich die Sicht der Kinder und Jugendlichen auf die öffentlich vorgestellten Beispiele aus dem Alltag der Chatverläufe der Kinder ganz wesentlich von der der Erwachsenen unterscheiden, wurde am Abend der Zertifikatsverleihung an den Reaktionen innerhalb des Publikums deutlich. Während die Erwachsenen entsetzt auf die vorgestellten Chatverläufe reagierten, riefen die Beispiele für Beleidigungen unter den Kindern und Jugendlichen große Heiterkeit hervor. Die Präventionsarbeit tut also weiter dringend Not. Das Mobbing bedarf offenbar einer beständigen Bekämpfung. Neu ist das Phänomen nicht. Allerdings hatten die Mobbingopfer früher nach der Schule, an Wochenenden oder in den Ferien, ihre Ruhe. Durch das Internet sind die Gemobbten inzwischen jedoch rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche den Angriffen der Mitschüler ausgesetzt.

Im Falle des Bekanntwerdens eines beleidigenden Chatverlaufes würden Gespräche der Beteiligten und den Eltern geführt, erklärte Schlaiss. „Wir versuchen, es schulintern abzustellen“, sagte er. Eine Möglichkeit, das Mobbing mit dem Smartphone zumindest einzuschränken sei, die Handynutzung während der Schulzeit zu verbieten. Allerdings könne ein Einhalten des Verbotes nicht immer und überall kontrolliert werden, gab der Rektor zu.

Kontrolle ist kaum möglich

Was passiert, wenn das Mobbing nicht mehr schulintern gelöst werden kann, erklärte der Präventionsbeauftrage der Polizei, Ralf Liebrecht. „Für Kinder sind solche Sachen relativ normal geworden“, sagte er über die zuvor gezeigten Chatverläufe. Dass beleidigende Aussagen jedoch auch strafrechtlich geahndet werden können, sei vielen nicht bewusst. Der Polizist hatte eine ganze Liste an Paragraphen dabei, gegen die beim Cybermobbing verstoßen wird. Eine Ursache für die Verrohung der Sprache der Kinder und Jugendlichen untereinander sieht der Präventionsbeamte auch in negativen medialen Vorbildern. „Sie wollen nicht wissen, wie Ihre Kinder untereinander reden“, ist sich Liebrecht sicher. Mit dem eigenen Smartphone erhalten schon die Kleinsten Zugang zu allen Inhalten des Internets.

Tatsächlich angezeigt würden nur sehr wenige Fälle, berichtete Liebrecht. „Die Schulen leisten viel Arbeit, dass es nicht zu einer Anzeige komme“, erklärte er.

Oft könne das Problem noch schulintern gelöst werden. Und wenn nicht, müssten Eltern das Gesetz in aller Regel auf dem zivilrechtlichen Weg zur Geltung bringen, weil die Staatsanwaltschaften Mobbing unter Schülern kaum verfolgten. Dabei sei die Ermittlung eines Smartphones im Rahmen der polizeilichen Arbeit in aller Regel problemlos möglich, so Liebrecht. Eine zuverlässige Verschleierung der Identität im Internet übersteigt dann doch die technischen Fähigkeiten der meisten Schüler.

Oft bleibt Mobbing lange unerkannt

Oft würden Eltern und Lehrer vom Mobbing lange Zeit nichts mitbekommen. In der eingangs erwähnten Umfrage gaben 73 Prozent der Schüler an, ihr Handy keinesfalls entschlüsselt an die Eltern herauszugeben. Wer Täter und wer Opfer ist, bleibt also lange im Dunkeln. Erst wenn sich beim Opfer physische Folgen wie ständiges Bauchweh oder eine Verschlechterung der Noten zeigten, würden Eltern und Lehrer auf das Problem aufmerksam. Der Referent des Bündnisses gegen Cybermobbing, Moritz Scherzer, erklärte, wie Eltern den Medienkonsum ihrer Kinder kontrollieren könnten. So sollte geregelt werden, zu welchen Zeiten die Handynutzung erlaubt oder nicht erlaubt ist. Außerdem sollten die Nutzungsbedingungen der Apps gelesen werden. So steht beispielsweise in den Nutzungsbedingungen von WhatsApp, dass das Programm erst ab 16 Jahren erlaubt ist.

Die Eltern sollten ferner die Sicherheitseinstellungen ihrer Internetverbindung prüfen. Ferner sollte den Kindern ein Freizeitangebot mit Sport oder Musik gemacht werden, empfahl Scherzer. Und zuletzt sei es wichtig, den Kindern die Mediennutzung vorzuleben. „Man muss nicht essen und gleichzeitig E-Mails beantworten“, erklärte der Referent.

Ob die Tipps tatsächlich alltagstauglich sind? Zweifel daran kamen durch die meist heiteren Reaktionen der Kinder auf die Ausführungen des Referenten auf. Offenbar haben die meisten Kinder und Jugendlichen den Kampf um einen freien und unbegrenzten Internetzugang im Elternhaus längst gewonnen.

Link zum Artikel:
https://www.lokalmatador.de/fileadmin/user_upload/Lokalmatador/ePaper/Download/eislingen_2019_23-1562590707bdabe.pdf
(Stand: 06.06.2019)

Das Bündnis gegen Cybermobbing e.V. präsentierte sich 2019 auf dem 24. Deutschen Präventionstag in Berlin
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